Medienanalyse

Die Medienanalyse ist ein Forschungsfeld der Kommunikations- und Medienwissenschaft und befasst sich mit dem Medium an sich aus verschiedenen Perspektiven.

Um einen groben Überblick über die Möglichkeiten zu geben, die medienanalytische Verfahren bieten, werden einige methodologische Vorgehensweisen vorgestellt. Dazu sollen verschiedene Theorien kurz umrissen werden, die zum Verständnis der auf ihnen aufbauenden Analysemethoden unerlässlich sind. Die verschiedenen Ansätze zur Medienanalyse unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer methodischen Vorgehensweise, sondern vor allem durch ihre erkenntnistheoretischen Hintergründe. Ihr Verständnis soll als Grundlage für die Differenzierung der unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen dienen.

Hermeneutik

Gegenstand der Hermeneutik, die mit dem Humanismus Anfang des 16. Jahrhunderts entstand, war zunächst der Inhalt der Bibel. Deren Wahrheitsgehalt galt bis dahin als konkret gegeben. Die Theologen versuchten deshalb, ein methodisches Regelwerk zu schaffen, das das Auffinden der biblischen Wahrheit und – vor allem – die möglichen Interpretationen auf die eine und einzig wahre Auslegung einschränken sollte. Diese Auffassung grenzte sich deutlich ab von der Vorstellungswelt des Mittelalters, in welcher der Gedanke des so genannten vierfachen Schriftsinns der Bibel vorherrschte. Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass für den Umgang mit Texten immer auch das Verständnis von Wahrheit und damit Machtfragen eine entscheidende Rolle spielen. Stand die Hermeneutik am Ende des Mittelalters noch ganz im Dienste kirchlichen Machterhalts, so war das Ziel der Hermeneutik des Philosophen Wilhelm Dilthey im 19. Jahrhundert vor allem die Abgrenzung der verstehenden Geisteswissenschaften gegenüber einer rein erklärenden Naturwissenschaft. Dilthey sah aus positivistisch-soziologischer Perspektive den Vorgang des Interpretierens als geschlossenen, vom Rezipienten selbst unabhängigen Prozess der sich auf einen übergeordneten objektiven Geist stütze und damit vom historischen Kontext unabhängig sei. Hans-Georg Gadamer, ein Schüler Martin Heideggers, erklärt dagegen in seinem berühmt gewordenen Buch Wahrheit und Methode, dass der Vorgang des Verstehens in historisch wandelbare Gegebenheiten eingebettet ist und damit, den jeweiligen Horizont des Erkenntnisaktes, berücksichtigen muss. Dieser Horizont ist durch Vorkenntnisse geprägt und wird durch das Rezipieren des Untersuchungsgegenstandes erweitert oder korrigiert. Es kommt also mit der Auslegung zu einem neuen Verstehen des Forschungssubjektes. Das Dilemma der kreisförmigen Bedingtheit von Vorwissen und Auslegung bezeichnet Gadamer als hermeneutischen Zirkel. Hermeneutik ist so immer Horizontüberschreitung, die jedoch mit eigenen vorgeprägten Begriffen geschieht. Ausgehend von Heidegger dehnte die Hermeneutik ihren Gegenstandsbereich auf das ganze Spektrum verstehender Erkenntnis aus, indem sie betonte, dass jegliche Form von Wissen letztlich auf Auslegung beruhen müsse.

Handlungsorientierte Medienanalyse

Die handlungsorientierte Medienanalyse stellt keine fest gegründete medienanalytische Schule dar. Sie wird hier angeführt, weil sie mit einer noch recht jungen, einer auf der Handlungstheorie aufbauenden Perspektive an die Interpretation von medialen Inhalten herangeht. Bei einem so gearteten Zugriff auf eine Interpretation ist das zentrale Anliegen die Handlungsweisen des Autors zu analysieren und zu erklären. Vereinfacht ausgedrückt, herauszufinden, warum der Autor schreibt, was er schreibt. Um die Motive offenzulegen gibt es in Anlehnung an die Handlungstheorie verschiedene Ansätze, die sich gegenseitig ergänzen können. Bei den zweckrationalen Handlungstheorien steht die Nutzenorientierung des Autors, eine Art Homo oeconomicus, im Mittelpunkt der Betrachtung.

Die eher an Normen orientierten Richtungen der Handlungstheorie gehen davon aus, dass nicht nur die bloße Nutzenkalkulation interessiert, sondern die geltenden kulturellen Werte und sozialen Normen und die Reproduktion der sozial-kulturellen Welt durch den Homo sociologicus.

Aus einer verständnisorientierten Perspektive der Handlungstheorie kann man den Verfasser medialer Inhalte als Homo communicans betrachten. Das Handeln des Autors wird als abhängig von seinem biographischen Erfahrungskontext betrachtet, womit diese Perspektive gewisse Parallelen zum Ansatz Gadamers aufweist.

Letztendlich ergeben sich für eine handlungstheoretisch informierte Medienanalyse ganz ähnliche Probleme wie in der Hermeneutik. Die Suche nach dem Handlungsverstehen findet ihren erkenntnistheoretisch blinden Fleck in der Unmöglichkeit der Horizontverschmelzung. Das Dilemma entspricht dem, was Gadamer schon 1975 als hermeneutischen Zirkel bezeichnet hat. Der Erfahrungsschatz des Interpretierenden vergrößert sich zwar im Sinne der Horizonterweiterung, er wird allerdings nie deckungsgleich mit dem des Autors sein.

Rezipientenorientierte Medienanalyse

Die Situation des Betrachters wird in der rezipientenorientierten Medienanalyse zum Objekt der Forschung gemacht. Sie ist damit weniger eine Medienanalyse im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr als eine Art Medienwirkungsforschung zu sehen.

Ausgehend von der Feststellung, dass jede Wahrnehmung mit einer inneren Einstellung des Wahrnehmenden zusammenhängt, die aus Weltanschauung, charakterlicher Haltung, Kenntnissen und Erfahrung erwächst folgert Lippert, dass die Bedeutung von medialen Botschaften und ihre Wirkungen rezipienten-orientiert untersucht werden müssen. Um die individuellen Reaktionen des Rezipienten und deren Bedingungen zu untersuchen können folgenden Grundfragen gestellt werden:

  1. Welche Bedeutung schreiben die Rezipienten dem Medialen Produkt zu?
  2. Wie werden von dem Rezipienten Bedeutungs- und Sinnzusammenhänge rekonstruiert?
  3. Wie wird die aktuelle Rezeptionssituation als eine sinnhafte Realität gesehen und gedeutet?

Lippert fasst die grundlegenden Einflüsse auf die Wahrnehmung folgendermaßen zusammen: Die Situationsspezifische Bedingtheit, die sozialen Randbedingungen und die Personengebundenheit rezeptiver Handlungen sind die Bezugspunkte aller Versuche, Aussagen über Wirkungen von medial vermittelten Botschaften zu machen. Die Rezipientin/ der Rezipient also das Subjekt steht im Mittelpunkt der Forschung. In der Medienwirkungsforschung wird somit nicht versucht, ‚die Realität’ zu untersuchen, sondern die durch die Strukturen der Wahrnehmung, des Denkens und des Fühlens vollzogene Symbolik, welche für das Individuum in Bildern und Sprache erscheint. Durch die Fixierung auf das Individuum wird ein erkenntnistheoretischer Widerspruch aber nur scheinbar umgangen. Erstens wird eine objektive Realität unterstellt, die zwar nicht ungetrübt erkannt werden kann, aber gewissermaßen als Basis aller Wahrnehmungen doch vorhanden ist. Zum zweiten kann man sich als Forscherin der Wahrnehmung des Rezipienten wieder nur im Sinne des hermeneutischen Zirkels annähern. Eine Horizontverschmelzung kann natürlich auch hier niemals stattfinden.