Vogel-Kirsche

Die Vogelkirsche ist eine Pflanzenart aus der Gattung Prunus in der Familie der Rosengewächse. Der Namenszusatz avium leitet sich vom lateinischen Wort avis für Vogel ab und bezieht sich auf die Früchte, die gern von Vögeln gefressen werden. Doch auch der Mensch isst gerne die Früchte der Vogel-Kirsche, insbesondere die von Zuchtformen.

Von der Wildform Wilde Vogelkirsche sind die Zuchtformen Knorpelkirsche und Herzkirsche abgeleitet. Diese kultivierten Formen sind vor allem durch größere Blätter sowie größere und süßere Früchte ausgezeichnet und werden im Allgemeinen als Süßkirsche bezeichnet.

Beschreibung

Vegetative Merkmale

Die Vogelkirsche ist ein sommergrüner Baum, der Wuchshöhen von 15 bis 20, selten bis zu 30 Metern erreicht.

Die Rinde junger Zweige ist anfangs grün, kahl, glatt, lederartig, glänzend und später rötlich grau gefärbt. Sie enthält breite, rostfarbene Lentizellen und es sind Querstreifen erkennbar. Die schwärzliche Borke löst sich waagrecht langsam ab und wird Ringelborke genannt. Wahrscheinlich dank dieser Ringelborke sind die Wildform und die Kulturformen immun gegen Mistelbefall geworden.

Ihre Krone ist breit kegelförmig. Die Zweige sind dick und reichlich mit Kurztrieben versehen. An Langtrieben befindet sich eine Endknospe. Die Winterknospen sind eiförmig ellipsoid.

Die wechselständig an den Zweigen angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Der 2 bis 7 Zentimeter lange, unbehaarte Blattstiel besitzt an seinem oberen Ende zwei rötliche Nektardrüsen. In der Knospenlage ist die Blattspreite gefaltet. Die einfache Blattspreite ist mit einer Länge von 3 bis 15 Zentimetern und einer Breite 2 bis 7 Zentimetern verkehrteiförmig-elliptisch bis elliptisch-eiförmig und am oberen Ende mehr oder weniger lang zugespitzt. Die Basis der Blattspreite ist keilförmig bis gerundet. Der Blattrand ist unregelmäßig und grob doppelt gesägt mit drüsigen Spitzen. Die Blattoberseite ist kahl und frischgrün, auf der dunkler grünen Blattunterseite sind die Nerven anfangs leicht behaart. Es sind sieben bis zwölf Seitennerven auf jeder Seite der Hauptnerves vorhanden. Die Herbstfärbung des Laubes ist intensiv rot und gelb. Die zwei linealen Nebenblätter sind etwa 1 Zentimeter lang mit drüsig gesägten Rändern.

Generative Merkmale

An Kurztrieben wird ein kleiner, fast sitzender, doldiger Blütenstand gebildet, der nur meist drei bis vier Blüten enthält. Dieser weist am Grund kleine, nicht laubblattartige Knospenschuppen auf. Während der Blütezeit sind die inneren Knospenschuppen zurückgeschlagen. Die Blüten erscheinen zusammen mit den Blättern etwa von April bis Mai. Der abstehende Blütenstiel ist kahl und 2 bis 6 Zentimeter lang.

Die zwittrige Blüte ist bei einem Durchmesser von 2.5 bis 3.5 Zentimetern radiärsymmetrisch und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Der kahle Blütenbecher ist kelchförmig und etwa 5 Millimeter × 4 Millimeter groß. Die fünf ganzrandigen, lang elliptischen, kahlen und rötlich gefärbten Kelchblätter sind etwa so lang wie der Blütenbecher und nach dem Abblühen zurückgekrümmt. Die fünf freien, weißen Kronblätter sind ganzrandig, verkehrt-eiförmig und 9 bis 15 Millimeter lang. Die ungefähr 20 bis 34 Staubblätter sind kürzer als die Kronblätter. Die Staubbeutel sind gelb. Der einkammerige Fruchtknoten ist mittelständig, also nicht mit dem Blütenbecher verwachsen. Der kahle Griffel ist etwa so lang wie die Staubblätter.

Die Blütezeit reicht von April bis Mai. Bei älteren, frei stehenden Vogel-Kirschen können gleichzeitig bis zu einer Million Blüten blühen.

Der Fruchtstiel ist nickend. Die Steinfrüchte sind bei einem Durchmesser von 6 bis 25 Millimetern fast kugelig bis ellipsoid oder eiförmig. Das Fruchtfleisch ist süß, bei den Wildformen leicht bittersüß. Beim länglich-eiförmigen und glatten Steinkern reicht die Länge von 7 bis 9 Millimeter bei den Wildformen, bis zu 9 bis 16 Millimeter bei den kultivierten Formen. Das Endokarp ist glatt. Die Früchte reifen etwa von Juni bis Juli und färben sich dann schwarzrot.

Die Chromosomenzahl beträgt meist 2n = 16.

Ökologie

Die Vogelkirsche ist ein anfänglich schnell wachsender, winterkahler Laubbaum, der ein Lebensalter von 80 bis 90 Jahren erreicht.

Die Herzwurzel der Vogelkirsche ist kräftig und weitläufig, sie bildet eine VA-Mykorrhiza aus. Vegetative Vermehrung erfolgt sehr reichlich durch Wurzelsprosse, die oft meterweit von der Ausgangspflanze entfernt sind.

Die Rinde ist mit einem lang ausdauernden Periderm ausgestattet, bei dem sich der glänzende rotbraune Kork später in bandförmigen Lappen als Borke ablöst. Die Korkwarzen sind bis über 1 Zentimeter breit ausgezogen.

Die Knospenschuppen entsprechen dem Blattgrund. besonders an Blütenknospen findet man, durch Übergänge verbunden, an den innersten Schuppen Spreitenreste.

Das Herbstlaub ist leuchtend rot. Am oberen Ende des Blattstiels sitzen meist zwei, selten drei, rote, extraflorale Nektarien, an denen Zuckersaft abgegeben wird. Wie schon seit längerem vermutet, handelt es sich dabei um Polizistenfutter für Ameisen. Die Nektarproduktion in den Drüsen ist in den ersten Wochen nach dem Knospenaustrieb besonders groß und zieht größere Mengen der Ameise Formica obscuripes an, die die jetzt noch kleinen Larven verschiedener Schmetterlinge und anderer Schadinsekten angreifen.

Blütenökologisch handelt es sich um homogame Nektarführende Scheibenblumen. Die Blüten duften schwach nach Honig. Der Nektar wird vom Blütenbecher abgesondert. deshalb duftet dieser stärker als die Kronblätter. Für Blütenbesucher, vor allem Bienenverwandte, ist der Nektar leicht zugänglich. Honigbienen sammeln auch reichlich Pollen. auf dem Körper einer Biene fand man bis zu einer Million Pollenkörner. Die Narbe ist erst 36 Stunden nach der Blütenöffnung empfängnisfähig. Selbstbestäubung ist zum Teil erfolgreich. Nach dem Abblühen wird der Blütenbecher aufgrund eines ringförmigen Abtrennungsgewebes abgeworfen. Die Vogel-Kirsche ist nach 20 bis 25 Jahren blühfähig.

Ausbreitungsmechanismen der Diasporen, hier die einsamigen Steinfrüchte, sind: Verdauungsausbreitung durch Säuger, Mundausbreitung beim Abschälen des Fruchtfleischs durch Vögel sowie Versteckausbreitung durch Eichhörnchen und Mäuse. Kernbeißer können die Steinkerne knacken.

Die Keimblätter ergrünen nach der Keimung oberhalb des Bodens.

Verbreitung

Das natürliche Verbreitungsgebiet umfasst das submeridionale bis gemäßigte Europa, die nördliche Türkei, Kaukasien, Transkaukasien und den nördlichen Iran. Die nördliche Verbreitungsgrenze liegt im Westen Europas bei ungefähr 54° nördlicher Breite, im Osten auf einer Linie von Minsk über Kursk und Woronesch bis Rostow am Don und im südlichen Mittelasien. In Skandinavien ist die Nordgrenze aufgrund der Schwierigkeit, Wild- und Kulturformen zu unterscheiden, unklar. Eingebürgert wurde die Vogel-Kirsche in Nordafrika, im südlichen Turkestan, Vorderindien und im östlichen Nordamerika.