Speierling

Der Speierling – regional auch Spierling, Sperberbaum, Sperbelbaum, Sporapfel, Spierapfel, Spreigel genannt – ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Mehlbeeren innerhalb der Familie der Rosengewächse. Er gilt als Wildobstbaum und ist als Wildgehölz eine der seltensten Baumarten in Deutschland. 1993 wurde der Speierling hier wegen seines rückläufigen Bestandes zum Baum des Jahres gewählt.

Beschreibung

Erscheinungsbild

Der Speierling wächst als mittelgroßer, sommergrüner Baum. Er erreicht freistehend Wuchshöhen von bis zu 20 Metern, im Hochwald gelegentlich über 30 Meter, und kann als freistehender Einzelbaum Stammdurchmesser von über 100 Zentimeter erreichen. Einzelne Exemplare des Speierling können ein Alter von bis zu 400 Jahren erreichen, in Mitteleuropa allerdings meist deutlich weniger. Der Speierling bildet ein tiefreichendes Herzwurzelsystem.

Die Rinde ist rau. Der Speierling bildet bald eine rissige, an älteren Stämmen kleinschuppige, relativ dunkle graubraune Borke, die der eines Birnbaums ähnlich ist.

Die vergleichsweise großen, oft klebrigen Winterknospen sind stumpf eiförmig. Sie besitzen einige sich dachziegelartig überdeckende, grün glänzende, mehr oder weniger kahle, braunrandige Knospenschuppen.

Blatt

Die wechselständig und spiralig an den Zweigen angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Der Blattstiel ist 3 bis 5 Zentimeter lang. Die bis zu 25 Zentimeter lange und etwa 10 Zentimeter breite Blattspreite ist unpaarig gefiedert. An der Blattrhachis sind mit sechs bis acht, selten bis zu zehn, gegenständig angeordneten Paaren somit 13 bis 17, selten bis zu 21, Fiederblättchen vorhanden. das ist die geringste Anzahl innerhalb der Gattung Sorbus. Die Fiederblättchen sind fast sitzend bis auf das Endblättchen, dieses ist mehr oder weniger gestielt. Die ungefähr gleich großen Blättchen sind bei einer Länge von 3 bis 5 Zentimetern und einer Breite von 1 bis 1.5 Zentimetern länglich, mit zugespitztem oberen Ende. Die Ränder der Blättchen sind im oberen Bereich scharf gesägt und im unteren Drittel fast ganzrandig. Am oberen Ende besitzen sie Zähne mit einer früh abfallenden Drüse. Die Blättchenspreite ist anfangs flaumig, wollig behaart und später verkahlend. Es liegt eine Fiedernervatur vor, mit 12 bis 15 Seitennerven auf jeder Seite des Hauptnerves. Die Basis der Blättchen ist gleichmäßig abgerundet. Die Nebenblätter am Langtrieb sind hinfällig.

Blütenstand und Blüte

Die Blütezeit liegt am Ende des Vollfrühlings im Mai bis Juni nach der Laubentfaltung. 35 bis 75, selten bis zu 80 Blüten stehen in endständigen, schirmrispigen Blütenständen zusammen.

Die angenehm duftenden, zwittrigen Blüten sind bei einem Durchmesser von 16 bis 18 Millimetern radiärsymmetrisch und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf grünen Kelchblätter sind dreieckig und länger als breit. Die fünf freien, weißen oder rötlichen Kronblätter sind 6 bis 7 Millimeter lang. Die 20 Staubblätter besitzen gelbe Staubbeutel. Es sind fünf freie Fruchtblätter vorhanden. Je Fruchtblatt sind meist zwei Samenanlagen vorhanden. Es sind meist fünf freie Griffel vorhanden.

Frucht und Samen

Von der verwandten Vogelbeere ist der Speierling durch seine deutlich größeren Apfelfrüchte leicht zu unterscheiden. Die Früchte reifen im September bis Oktober. Die meist 2 bis 3, selten 1.5 bis 4 Zentimeter langen und fast ebenso dicken, birnen- bis apfelförmigen, bei Reife grün-gelblichen, olivbraunen bis rötlich gelben Früchte können sich sonnenseits oft rötlich färben und vollreif schokoladenbraun werden. Sie können nach Größe, Form und Färbung von Exemplar zu Exemplar erheblich variieren. Das pergamentartige Kerngehäuse besteht aus meist fünf Kammern. Die Früchte enthalten jeweils einen oder meist zwei, manchmal auch fünf bis sechs oder maximal zehn Samen. Die orange-braunen Samen sind bei einer Größe von 6 bis 9 Millimetern eiförmig.

Chromosomensatz

Die Chromosomengrundzahl beträgt x =17. es liegt Diploidie mit einer Chromosomenzahl von 2n = 34 vor.

Ökologie

Der Speierling wächst als skleromorpher, mesomorpher Phanerophyt. Die vegetative Vermehrung durch Wurzelbrut überwiegt.

Blütenökologisch handelt es sich um Scheibenblumen mit reichlich halbverborgenem Nektar im Zentrum der Blüte. Die Bestäubung kann auch durch Insekten erfolgen. Meist erfolgt die Samenbildung aber ohne Bestäubung.

Die Früchte werden von manchen Vögeln und Säugetieren aufgenommen und die Samen anschließend ausgeschieden, wodurch eine Verdauungsausbreitung stattfinden kann. Der Speierling vermehrt sich in der Natur nur ausnahmsweise generativ durch Samen.

Von den Schädlingen stellt der Schorfpilz Venturia inaequalis, ein Schädling des Apfelbaums, eine große Gefahr für den Speierling dar. Der Schorf befällt vor allem die Früchte, Jungpflanzen und Triebe. Zusätzlich setzt der Rindenkrebs dem Speierling zu. Im warmen Mittelmeerklima kann der Feuerbrand noch größeren Schaden anrichten.

Vorkommen und Gefährdung

Der Arealtyp nach Oberdorfer 1983 von Sorbus domestica ist submediterran. Sorbus domestica gedeiht in den Klimazonen meridional bis südlich temperat.

Sein Verbreitungsgebiet reicht von Süd- und Südosteuropa bis Kleinasien und Nordwestafrika. Es gibt Fundortangaben für Algerien, Marokko, Zypern, die Türkei, Transkaukasien, Österreich, Tschechien, Deutschland, Ungarn, die Slowakei, Moldawien, die Krim, Albanien, Bosnien und Herzegovina, Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Italien, Nordmazedonien, Montenegro, Rumänien, Serbien, Slowenien, Frankreich und Spanien.

In Deutschland ist der Speierling vor allem im Südwesten zu finden, im Rhein-, Neckar und Nahetal, im Taunus und in Unterfranken. Er kommt zerstreut im nördlichen Baden-Württemberg, in der zentralen Pfalz, entlang der Mosel, in der nördlichen Eifel sowie in Mainfranken vor. selten ist er im nördlichen Thüringen sowie westlichen Sachsen-Anhalt. Einer der nördlichsten Speierlinge, der 1909 gepflanzt wurde, steht in der Nähe von Teterow im Landkreis Rostock.

In den Jahren von 2010 bis 2013 sind die Vorkommen von zehn seltenen heimischen Baumarten in den deutschen Wäldern ermittelt worden, im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Rahmen des Projekts Erfassung und Dokumentation genetischer Ressourcen seltener Baumarten in Deutschland. Vom Speierling wurden dabei 2.500 Exemplare in natürlicherweise vorhandenen Beständen erfasst. Die Hälfte aller in Deutschland vorkommenden Exemplare des Speierlings findet man demnach in Baden-Württemberg und in Bayern. In Hessen gibt es 400 bis 500 Exemplare des Speierlings, die 80 Jahre oder älter sind. Beispielsweise stehen in Kronberg im Taunus 47 alte Speierlinge, und über 100 junge. Im Wetteraukreis sind 55 Naturdenkmale mit einem oder mehreren Speierlingen ausgewiesen.

Für Deutschland insgesamt gibt die Rote Liste der gefährdeten Pflanzenarten von 1996 Sorbus domestica nicht als gefährdet an. In Baden-Württemberg ist er in der Vorwarnliste. in Bayern sowie Rheinland-Pfalz gilt er als nicht gefährdet. eingestuft in Kategorie 4 = potentiell gefährdet ist er in Hessen sowie Thüringen. in Sachsen-Anhalt ist der Speierling in Kategorie 3 = gefährdet eingestuft. in Nordrhein-Westfalen ist er sehr selten.

In Österreich gibt es etwa 500 ausgewachsene Speierlinge, vor allem in Niederösterreich, in Wien und im Burgenland. Aufgrund seiner Seltenheit wurde er in Österreich zum Baum des Jahres 2008 gewählt.

Pflanzensoziologisch gehört er zur Ordnung Quercetalia pubescentis, kommt aber auch im warmen Gesellschaften des Verbands Carpinion vor. In Deutschland gedeiht der Speierling im sommerwarmen und trockenen Eichen-Hainbuchen-Wald und Flaumeichen-Wald.

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3w, Lichtzahl L = 3, Reaktionszahl R = 4, Temperaturzahl T = 4+, Nährstoffzahl N = 2, Kontinentalitätszahl K = 2.