Poes Gesetz

Poes Gesetz beschreibt ein Phänomen aus der Welt der netzwerkbasierten Kommunikation. Es besagt, dass es darin nicht möglich ist, eine politisch oder religiös extremistische Aussage so zu parodieren, dass die Parodie als solche eindeutig erkennbar ist, sofern man dies nicht explizit durch einen Smiley o. Ä. kenntlich macht. Ohne solche Indikatoren für Humor oder Ironie kann der Autor der Parodie trotz aller darin enthaltenen Überspitzungen nicht verhindern, dass seine Aussage als wortwörtlich und ernst gemeint missverstanden wird. Ähnlich wie die Usenet-Gesetze ist Poes Gesetz kein streng gültiges naturwissenschaftliches Gesetz, sondern eher eine Faustregel, die selbst eine gewisse ironische Konnotation hat.

Geschichte

Die ursprüngliche Formulierung dieser Regel stammt aus dem Jahr 2005. Sie wurde von einem unbekannten Benutzer, der sich selbst Nathan Poe nannte, am 10. August im Internetforum christianforums.org gepostet und lautete:

Der Kommentar erschien zwar in einer Debatte über Kreationismus, kann aber auch auf andere eher randständige Themengebiete und Überzeugungen übertragen werden. Eine ähnliche Beobachtung wurde bereits 1983 von Jerry Schwarz in einem Beitrag im Usenet beschrieben:

Rezeption

2009 setzte The Telegraph Poes Gesetz auf Platz zwei der zehn wichtigsten Internetregeln und -gesetze, nach Godwin’s law und noch vor der Rule 34. 2017 bezeichnete das US-amerikanische Technik-Magazin Wired Poes Gesetz als wichtigstes Internetphänomen des Jahres. So wird es inzwischen speziell von Vertretern der Neuen Rechten und Alt-Right-Bewegung nach gezielten über Social Media kommunizierten Tabubrüchen als Entschuldigung missbraucht, der entsprechende Beitrag sei ironisch gemeint gewesen und missverstanden worden. Auch greift Poes Gesetz bei immer mehr Online-Interaktionen, da die sozialen Netzwerke im Jahr 2017 nicht mehr nach Interessen voneinander abgegrenzt sind und zum Beispiel bei Retweets vielen Adressaten der Kontext einer ironischen Äußerung völlig unklar sein kann.

In ähnlicher Weise wird Poes Gesetz zur Erklärung der falschen Einordnung satirischer externer Webinhalte herangezogen, die mittels Hyperlinks in sozialen Medien geteilt werden. In sozialen Netzwerken habe das Verhältnis zwischen dem teilenden Benutzer und seinen Adressaten große Bedeutung dafür, wie verlinkte Webinhalte aufgefasst werden. So sind Inhalte der bekannten US-amerikanischen Nachrichten-Satire The Onion von einem republikanischen US-Kongressabgeordneten unter der Annahme, es handle sich um seriöse Nachrichten über die abtreibungsbefürwortende Organisation Planned Parenthood, via Link auf Facebook geteilt und mithin auch von einer großen Anzahl seiner Freunde als wahre Informationen aufgenommen worden. Satire kann so unfreiwillig zu Fake News mutieren. Ein ähnlicher Effekt trete ein, wenn von ihrem satirischen Kontext mehr oder weniger entkoppelte Nachrichtenparodien Vorurteile bestätigten. So habe die Redaktion von The Onion 1998 eine Meldung unter der Schlagzeile Chinesin bekommt Siebenlinge – hat eine Woche zum Wählen veröffentlicht, in der es in Bezug auf die Ein-Kind-Politik Chinas hieß, dass die übrigen sechs Babys von einem Berggipfel hinuntergeworfen würden. Anschließend erhielt sie zahlreiche E-Mails, in denen ihr mitgeteilt wurde, dass tief betrübte Kirchgängerinnen Gebetsmahnwachen für die Babys abhielten.

In einem 2009 veröffentlichten wissenschaftlichen Aufsatz stellte der US-amerikanische Philosoph Scott F. Aikin weitere Varianten von Poes Gesetz vor. So gebe es für jede Webseite, die religiösen Extremismus parodiere, mindestens eine Webseite mit identischem, jedoch ernsthaft vertretenem Inhalt. Deshalb sei es für einen Besucher anhand ihres Erscheinungsbildes unmöglich, eine satirische von einer ernstgemeinten Website zu unterscheiden, sofern die satirische Website ihre Natur nicht offensichtlich mache. Infolgedessen würden nicht nur Parodien nicht als solche erkannt, sondern auch ernstgemeinte Inhalte für Satire gehalten. Als Beispiel für letzteres führte Aikin die christlich-fundamentalistische Website ObjectiveMinistries.org an, die 2001 einen Schüler-Wettbewerb zum Thema Creation Science ausgelobt hatte. Wegen der Titel der eingereichten Wettbewerbsbeiträge, die sich unter den Preisträgern fanden, wurden ObjectiveMinistries.org, die sich laut eigenen Angaben der Bekämpfung der Verhöhnung Jesu Christi im Internet verschrieben haben und sich insbesondere für die Abschaltung der religionssatirischen Website Landover Baptist Church einsetzen, für einen Ableger von Landover Baptist Church gehalten.