Kommunikationsmodell

Als Kommunikationsmodell oder Kommunikationstheorie bezeichnet man wissenschaftliche Erklärungsversuche zur Beschreibung von Kommunikation. Diese theoretischen Ansätze sollen in der Kommunikations- und Medienwissenschaft erklären, was Kommunikation ist und wie sie funktioniert, und – in Form von Modellen – verallgemeinerbare und theoretische Zusammenhänge des Massenkommunikationsprozesses erkennbar machen.

Alltagstheoretische Kommunikationsmodelle

Die Bezeichnung alltagstheoretisch bezieht sich auf die Annahme, dass auch im Alltag Theorien gebildet und angewendet werden. Theorie wird in diesem Sinne nicht als etwas von der Praxis Getrenntes angesehen. Die folgenden Abschnitte fassen Vorstellungen und Beschreibungen zusammen, die häufig genannt werden, wenn spontan und unreflektiert über das Thema Kommunikation gesprochen wird.

Kommunikation als Teilhabe

Die Vorstellung von der Kommunikation als Teilhabe verweist auf die Entlehnung des Begriffs der Kommunikation aus dem Lateinischen und auf die Bedeutungszusammenhänge zu Teilen und Mit-Teilen. Kommunikation wird hier als der kulturelle Prozess angesehen, in dem Gemeinschaft entsteht.

Die Vorstellung eines gemeinsamen Zeichenvorrats

Manchen Vorstellungen über Kommunikation liegt die Annahme zugrunde, dass Kommunikation nur möglich sei, wenn vorab ein gemeinsamer Zeichenvorrat, die gleiche Sprache und eine vergleichbare Sozialisation der Kommunikationsteilnehmer bestehe. Diese Vorstellungen erweisen sich bei näherer Betrachtung als problematisch. Zunächst lässt sich damit nicht die Frage beantworten, wie Zeichen und Sprache entstehen.

Zudem unterscheiden sich die Auffassung von Wortbedeutungen, darunter die Auffassung vom Zeichenvorrat und deren Verwendung selbst bei gleichen Ordnungsprinzipien von Mensch zu Mensch. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass auch zwischen gleichsprachigen Individuen umfangreiche und erklärungsbedürftige Kommunikationsprobleme bestehen können.

Die Container-Metapher

Mit der Container-Metapher ist die Vorstellung von Wörtern oder Sätzen als Behälter verbunden, in denen objektiv bestimmbare Bedeutungen eingeschlossen sind. Rezeption besteht in dieser Metapher darin, die Bedeutungen den Behältern als solche wieder zu entnehmen. Bedeutungen, Sinn und Gedanken können nach dieser Vorstellung in einen Container verpackt und aus diesem wieder entpackt werden. Naive Vorstellungen gehen dabei von einer Identität der Bedeutungen aus.

Die Vorstellung von Kommunikation als Austausch von Informationen

In alltäglichen Bezeichnungen wird Kommunikation als ein Austausch von Informationen beschrieben. In anderen Formulierungen wird das Ziel oder das Resultat von Kommunikation in einem Informationsfluss gesehen. Damit ist zusammenfassend die Bekanntmachung oder Mitteilung von Wissen, Erkenntnis oder Erfahrung gemeint. Austausch kann als Gegenseitigkeit verstanden werden. Fluss enthält die Vorstellung einer Richtung, die ebenfalls beidseitig sein kann. In der hinter diesen Formulierungen stehenden Modellierung wird von den Kommunizierenden abgesehen. Der Fokus liegt auf dem, was mit Information bezeichnet ist.

Bei Ausdrucks- und Eindrucksmodellen wird je eine Seite des Kommunikationsprozesses stark hervorgehoben. Die Verwendung eines Ausdrucks- und Eindrucksmodells geschieht im Alltag meist implizit, das heißt, es wird nicht verdeutlicht, welches Modell als Grundlage von Behauptungen über Kommunikation gerade verwendet wird. Durch die zu starke Hervorhebung nur einer Seite entsteht die Gefahr, dass der Kommunikationsprozess nicht mehr als ein sozialer, also beide Seiten umfassender Prozess angesehen wird, in dem Ausdruck und Eindruck nur in Bezug aufeinander zu denken sind.

Das Ausdrucksmodell

Das Ausdrucksmodell beschreibt Kommunikation als einen Prozess, der im Wesentlichen darauf beruht, Inhalte unter der Verwendung von Zeichenprozessen und von Medien auszudrücken. Die Rezeption – das heißt die auf den Produzierenden bezogene Eigenwahrnehmung und Verarbeitung unter Verwendung von Zeichenprozessen – spielt in diesen Modellen eine sekundäre oder untergeordnete Rolle.

In der Folge wird Kommunikation als etwas angesehen, das mit dem Ausdrücken von etwas unter Verwendung von Zeichenprozessen beginnt, also mit Sprechen, Schreiben, eine Sendung produzieren. In besonders starken Ausdrucksmodellen wird von der Bezugnahme des Produzenten auf potentielle oder wirkliche Rezipienten abgesehen. In extremen Fällen wird das Ausdrücken von etwas mit Kommunikation gleichgesetzt.

Die Probleme eines zu starken Ausdrucksmodells bestehen darin, dass dieses Modell keine Möglichkeit bietet, den Rezipienten als Kommunizierenden zu beschreiben. Dem extremen Ausdrucksmodell zufolge kommuniziert beispielsweise ein Fernsehzuschauer nicht mit den im Fernsehen erscheinenden Menschen, solange er keine Rückmeldungen in die laufende Sendung gibt, also solange er selber nichts ausdrückt, was die im Fernsehen Erscheinenden nicht wahrnehmen können. Ein Kinobesucher kann demnach während des Kinobesuchs nicht mit den Darstellern des Films kommunizieren. Der Leser einer Zeitung kommuniziert dem starken Ausdrucksmodell zufolge nicht mit den Autoren des Textes, während er die Texte liest.

Das Eindrucksmodell

Seltener wird ein Eindrucksmodell verwendet, mit dem Kommunikation als ein Prozess beschrieben wird, der im Wesentlichen darauf beruht, dass durch Rezeption Inhalte entstehen und mit Hilfe der individuellen Welttheorie verarbeitet werden. In der Folge wird Kommunikation als etwas angesehen, das mit der Rezeption beginnt. In besonders starken Eindrucksmodellen wird von der Bezugnahme des Rezipienten auf den potentiellen oder wirklichen Produzenten abgesehen. In einer extremen Folge wird die Rezeption mit Kommunikation gleichgesetzt.

Ein zu starkes Eindrucksmodell kann dazu führen, dass der Kommunikationsbegriff infolge der Vernachlässigung des Bezuges auf einen Produzierenden zu weit ausgedehnt wird. Dies wäre der Fall, wenn Wahrnehmung als Kommunikation mit der Umwelt angesehen wird.

Wissenschaftliche Kommunikationsmodelle

Die meisten wissenschaftlichen Kommunikationsmodelle sind Abbildungen des Kommunikationsprozesses, in denen entweder einzelne Prozesselemente und deren Aufbau, der Verlauf des Prozesses, die Aufgaben und Leistungen des Prozesses oder Bestimmungsmerkmale dargestellt werden. Eine andere Unterscheidung ist die in Prozessmodelle, Systemmodelle und Wirkungshypothesen. In diesen drei Grundformen kommen lineare Modelle, zirkuläre Modelle, Medienwirkungsmodelle und soziologische Modelle vor, wobei die Ausdifferenzierung und zunehmende Spezifikation der Modelle einer innerwissenschaftlichen Entwicklungslogik folgt.

Deskriptive Modelle

Der Politologe Harold Dwight Lasswell formulierte ein Wortmodell anhand seiner Lasswell-Formel Who says what in which channel to whom with what effect? 1948 in einem Aufsatz, in dem er sich mit der strukturell-funktionalen Analyse von Kommunikationsprozessen befasste. Er schuf so in der Abfolge der fünf Fragen ein Ordnungsprinzip zur Beschreibung der Prozesse und definierte gleichzeitig die Forschungsbereiche der Kommunikationswissenschaft.

Das Kommunikationsmodell von Bruce H. Westley und Malcolm S. MacLean wurde in der Tradition der Gatekeeper-Forschung entwickelt. In systemtheoretischer Sichtweise wird der Prozess der Nachrichtenvermittlung als mehrfach selektiver und dynamisch rückgekoppelter Vorgang dargestellt.

Das Kommunikationsmodell von John W. Riley und Matilda White Riley behandelt die soziale Verflechtung der Kommunikationspartner. Kommunikator und Rezipient gehören sozialen Gruppen an, die die Kommunikation vermitteln und so das Kommunikationsverhalten beeinflussen. Es werden die Gatekeeper-Eigenschaften in den Massenmedien, die Art der selektiven Wahrnehmung, die Qualität der Interpretation, das Behalten einer Botschaft und die Reaktion auf diese durch den Rezipienten berücksichtigt. Bezüglich der Medienwirkung sieht dieses Modell die Massenkommunikation als Element des gesamten Sozialsystems und Faktor neben anderen Einflüssen auf individuelles und soziales Verhalten. Massenkommunikation und soziale Systeme beeinflussen sich gegenseitig. Soziologische und sozialpsychologische Fragestellungen werden in die Massenkommunikationsforschung mit einbezogen, indem Kommunikator und Rezipient als Elemente zweier sozialer Strukturen gesehen werden, die in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen.

Das Feldschema der Massenkommunikation von Gerhard Maletzke ist ein sozialpsychologisch orientiertes Modell, das rückbezügliche und interaktive Mechanismen der Kommunikation berücksichtigt. Es werden vier Positionen im massenmedialen Prozess genannt: der Kommunikator, die Aussage, das Medium und der Rezipient. Jede Position beeinflusst die anderen.

Das Materialistische Kommunikationsmodell von Wulf D. Hund zeigt den Zusammenhang der Massenkommunikation mit den sozioökonomischen Bedingungen einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft auf – im Sinne der materialistischen Gesellschaftstheorie. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Kommunikator als Nachrichtenproduktionsbetrieb seine Produktionsmittel, also die modernen Massenmedien und die dadurch transportierten Aussagen, in erster Linie als Waren produziert und zur Kapitalverwertung einsetzt.